IN LIEBE – BRITTA SCHMIDT / WITH LOVE – BRITTA SCHMIDT
Katharina Pethke ⎜D 2007 ⎜50 min ⎜DigiBeta ⎜colour
produced by KHM Koeln

Uraufführung: Duisburger Filmwoche 2007

Wenn Heimat tatsächlich Utopie ist und die Abwesenheit unserer Freundschaft nicht sichtbar – was sind dann die Orte und Bilder, die bleiben? Sie hatte geschrieben: ‚Manchmal denk ich, Du bist wie Heimat für mich.’ Fünf Jahre war das her und diese Fotos von ihr hingen an meiner Wand. Eigentlich wollte ich nur an einen Ort, den ich vor langer Zeit verlassen hatte. Was daraus wurde, ist die stationsreiche Suche nach Spuren von ihr – einer Erklärung.

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Diskussionsprotokoll Duisburger Filmwoche 2007

Moderation: Gudrun Sommer

Der Hundertmeistersaal ist gut gefüllt, als Gudrun Sommer die Regisseurin nach der Entstehungsgeschichte ihres Films befragt. Ausgangspunkt seien „diese Fotos“ gewesen, von ihrer Freundin Britta, die, vier Jahre nach dem Tod, an der Wand hingen, die präsent waren. Katharina Pethke beschreibt eine doppelte Abwesenheit ihrer Freundin. Doppelt, weil sie die Abwesenheit bereits vor deren Tod empfand. Die intensiven Momente der Freundschaft standen dem fragmentarischen Charakter ihrer Beziehung gegenüber. Ihr Film und damit auch Pethkes Reise (USA, Frankreich, Spanien, Deutschland) waren Versuche, die Lücken, das Unerklärliche an der Beziehung der Beiden zu füllen. 

Sommer möchte wissen, ob Jonas Mekas, mit dem Pethke betrunken durch New York zieht („Eine Art Hommage“) mit seiner Filmtheorie eine Schlüsselposition einnimmt. Zwar beschreibt Pethke die Art Mekas’ als „tolles, offenes und enthusiastisches Filmemachen.“ Gleichzeitig verortet sie seine Konzepte aber in den 70er Jahren. Dem gegenüber stellt sie den Zwang zur Beweglichkeit der heutigen Zeit. Ein internationaler Lebenslauf voller Praktika und Mobilitätsbeweisen sei heutzutage quasi Pflicht, um bestehen zu können. Bestes Beispiel hierfür sei das deutsche Mädchen in der Madrider Wohngemeinschaft. Diese stellt der Filmemacherin Brittas Wohnung auf Englisch vor. Inhaltlich sei lange unklar gewesen, welche Richtung der Film nehmen werde, formal stand die zentrale Frage fest: „Was ist, wenn man Zeit in einen Rahmen legt?“ Die Regisseurin suchte die Antwort in Transiträumen und Nicht-Orten, entwickelte eine bildliche Choreographie, eine neue Verortung und wollte so den Rahmen vorbereiten, für die Dinge, die passieren würden.

Gudrun Sommer leitet zur grundsätzlichen Perspektive des Films über, der Ich-Erzählerin. Vom autobiographischen bis hin zum literarischen Text würde eine weite Spanne belegt. Pethke begründet dies damit, dass es der einzige Weg gewesen sei, ihren Film zu erzählen. Über andere zu erzählen sei immer leichter als über sich selber. Hierbei handele es sich aber ganz klar um ihre Geschichte, ihre Erinnerungsarbeit und damit ihre Fiktion. So erkläre sich auch die literarische Konstruktion des Off-Textes. Katharina Pethke stellt fest, dass ihr Film ohne Text ja schlicht eine Reihe von Bildern wäre, „von denen man dann nicht weiss, was sie sollen.“ Die Reihenfolge, die Linearität der Bilder gäbe es nicht, daher würde ein solcher literarischer Lineartext die Bilder, Orte und Assoziationen „verkleistern.“ 

Gudrun Sommer führt ein Beispiel für das besondere Bild – Text Verhältnis an. Der Text spricht von einer gemeinsamen Mutprobe der Mädchen, einem Sprung von einer Brücke ins Wasser. Tatsächlich sehen wir ein fremdes Kind, das ins Wasser springt. Ein Diskutant stellt fest, dass die Sequenz der Unruhen in Paris vom Film losgelöst wirkt und überrascht. Die Regisseurin bestätigt, dass dieser Moment nicht mehr nur persönlich war, sondern selbstverständlich politisch einzuordnen sei. Grund für die Unruhen sei eine allgemeine Ortlosigkeit und damit auch ein Thema des Films. 

Die Regisseurin erzählt von ihrem eigenen Umgang mit der Jetzt-Zeit. Das Leben sei oft eine Art Aufsammeln, ein „Durchrauschen“, „kein Verbinden, aber irgendwie doch“. Letztendlich frage man sich, was bliebe wirklich vom Erlebten übrig. Der Sohn von Britta Schmidts amerikanischer Gastfamilie erinnere sich beispielsweise auf Anhieb nur an den „funny accent“ des Mädchens und ist damit exemplarisch für Pethkes Thema. Ein Diskutant möchte wissen, wie es zur Entscheidung kam, durch die späte Information über die Todesart eine dramaturgische Spannung aufzubauen. Warum fiel die Entscheidung nicht auf eine sachlichere Variante, etwa eine Schrifttafel zu Beginn?

Die Regisseurin verweist ein weiteres Mal auf die von ihr empfundene „doppelte Abwesenheit“ ihrer Freundin. Zentral sei nicht etwa die Entwicklung von Spannung, sondern der Augenblick des Ansehens, ausgehend von den Fotos von Britta.

Fortsetzung: https://www.protokult.de/prot/IN%20LIEBE,%20BRITTA%20SCHMIDT%20-%20Katharina%20Pethke%20-%202007.pdf

Protokoll: Sven Ilgner